Asteroid Neeffisis

Die erste Asteroiden-Entdeckung des Physikalischen Vereins, Frankfurt

182 Jahre nach Gründung des Physikalischen Vereins ist am 27.11.2006 erstmalig auf einer Sternwarte des Vereins die Entdeckung eines Kleinplaneten gelungen. Seit 26.9.2010 trägt dieser kleine Planet den Namen Neeffisis.

 

Vorgeschichte

Seit dem Jahre 2006 ist das große Teleskop mit 0,6 Meter Spiegeldurchmesser der Taunus-Sternwarte mit einer besonders lichtstarken Digitalkamera ausgestattet. Seitdem ist es möglich Objekte zu erfassen, die eine Million mal lichtschwächer sind als jene, die man mit bloßem Auge erkennen kann. Dies eröffnete völlig neue Arbeitsschwerpunkte, insbesondere die Astrometrie von Himmelsobjekten, die zuvor nur den professionellen Observatorien zugänglich waren.

Um Positionsmessungen von Himmelskörpern der Wissenschaft zur Berechnung aktueller Bahnen von Asteroiden, Kometen und natürlichen Satelliten zur Verfügung stellen zu können ist es zunächst nötig einen sogenannten Observatory Code der Internationalen Astronomischen Union zu erlangen. Danach ist man berechtigt Messdaten an das Minor Planet Center zu schicken.

Mit diesem Ziel wurden im Zeitraum vom 6.6.2006 bis 8.6.2006 von Rainer Kling und Erwin Schwab die Hauptgürtel – Asteroiden (612) Veronika und (2303) Retsina am Teleskop der Taunus-Sternwarte fotografiert und ausgewertet. Bereits am 14.6.2006 kam die Nachricht von Gareth Williams, associate director of the Minor Planet Center, dass die Taunus Sternwarte aufgrund der eingesendeten Qualität der Messungen den Observatory Code B01 erhalten hat.

Danach wurde die Leistungsfähigkeit des Teleskops in Verbindung mit der neuen Astro-Digitalkamera SBIG 10000M an besonders anspruchsvollen Himmelsobjekten getestet. Es wurde ein der Erde gefährlich nahe kommender und ein sehr weit entfernter Asteroid sowie mehrere Kometen fotografiert und astrometrisch vermessen. Das erdnahe Objekt mit ca. 500 Metern Durchmesser, ein so genannter NEA (Near Earth Asteroid) raste in nur 433.000 Km an der Erde vorbei und bewegte sich am Firmament in einer Stunde um ein Grad (Ein Grad entspricht zwei Vollmonddurchmesser). Der weit entferne Asteroid ist ein so genannter TNA (Transneptunischer Asteroid). Er war zum Zeitpunkt der Beobachtung 6 Milliarden Kilometer entfernt und befindet sich  jenseits der Bahn des Plutos. Somit ist er das am weitest entfernte Objekt unseres Sonnensystems, das bisher von der Taunus Sternwarte beobachtet wurde.

 Die Entdeckung

Nachdem die ersten Tests sehr erfolgreich verliefen, wurde am 27.11.2006 der zu vermessende Himmelsabschnitt nach dem Kriterium ausgesucht, so viele Asteroiden wie möglich auf einer Aufnahme abzubilden. Während der Auswertung fanden wir jedoch zwei Asteroiden mehr, als erwartet. Auch in den  aktuellen Verzeichnissen über das Internet waren diese nicht zu finden.

Von der für Asteroiden – Entdeckungen zuständigen Stelle, dem  Minor Planet Center in den USA, wird eine Entdeckungsmeldung erst dann akzeptiert, wenn die Position des Objekts an mindestens zwei Abenden vermessen wurde. Aufgrund der schlechter gewordenen Wetterbedingung gestaltete sich die zweite Nacht spannend. Die Rheinebene war total bedeckt, nur von der Taunus Sternwarte aus konnte man ab und zu mal eine Wolkenlücke erhaschen, die jedoch aufgrund der langen Belichtungszeit auch groß genug sein musste. Die Lichtmenge, die von solch einem kleinen Asteroiden auf der Erde ankommt, ist  vergleichbar mit der Flamme einer Kerze, die sich in einer Entfernung von 2000 Km befindet. Es ist also verständlich, dass alle Bedingungen optimal sein müssen, um solch ein lichtschwaches Objekt zu fotografieren. Und  wir hatten Glück, auf drei von rund 20 in dieser Nacht gewonnenen Fotos waren die zwei mutmaßlichen Neuentdeckungen zu erkennen.

Am 1.12. kam die Antwort des Minor Planet Centers, dass es sich bei einem der Objekte um die Wiederentdeckung des Asteroiden mit der vorläufigen Bezeichnung 2003 AS68 handelt, das andere Objekt ist eine Neuentdeckung! Der ungefähr 1 Km große Himmelskörper bekam die vorläufige Bezeichnung 2006 WV129 und war zum Zeitpunkt des Auffindens rund 144 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

Animation der zwei Entdeckungsfotos vom 27.11.2006, Taunus-Sternwarte, R. Kling und E. Schwab
Der im unteren Bild mit Objekt1 gekennzeichnete Asteroid ist unsere Entdeckung Neeffisis = 2006 WV129,
der mit Objekt2 markierte ist die Wiederentdeckung 2003 AS68.

Die Weiterverfolgung

Es ist jedoch nicht so, dass man sich nach der Endeckung eines Asteroiden eine Verschnaufpause gönnen kann.  Wird die Bewegung des Asteroiden nicht weiterverfolgt, so kann er nämlich genauso schnell wieder aus den „Augen der Astronomen verschwinden“, wie er gefunden wurde. Erst wenn die Bahn, die der kleine Planet um die Sonne hat, genau bekannt ist, kann er auch in Zukunft wieder gefunden werden. Damit dieser Orbit berechnet werden kann ist es nötig den neuen Asteroiden weiter zu verfolgen und seine Positionen am Firmament zu vermessen. Die Weiterverfolgung des 2006 WV129 war jedoch aufgrund der schlechten Wetterlage Anfang Dezember nicht  möglich, außerdem störte der helle Vollmond zu sehr. Erst am 12. Dezember wurde das Wetter besser. Jedoch war ausgerechnet der Taunus von Wolken total verhüllt, aber in der Rheinebene war sternklarer Himmel. Wir verständigten Uwe Süßenberger, der in Bergen-Enkheim seine private Sternwarte hat und sich ebenso seit geraumer Zeit auf die Verfolgung von Asteroiden spezialisierte. Nur knapp zwei Stunden nach unserem Telefonat mit Ihm, kam seine Antwort via Email: „Hurra, ich hab‘ ihn“

 Die Namensgebung

Mit dieser Entdeckung wird eine alte Tradition des Physikalischen Vereins fortgesetzt, denn von 1913 bis 1939 betrieb der Verein das Planeteninstitut, welches weltweit eines der ersten Forschungseinrichtungen war, das sich mit der Berechnung von Kleinplanetenbahnen beschäftigte. Die Arbeiten damals waren im Wesentlichen theoretischer Natur. 2006 WV129 ist die erste Asteroiden – Entdeckung in der über 180-jährigen Geschichte des Vereins. Rund vier Jahre nach der Entdeckung war die Bahn genau genug bekannt und der Kleinplanet erhielt seine endgültige Nummerierung (224831). Seit  26.9.2010 trägt er den Namen Neeffisis, eine Kombination aus Christian Ernst Neeff und der Göttin Isis. Christian Ernst Neeff war Mitgründer des Physikalischen Vereins und dessen Vorsitzender. Der Verein trägt in seinem Logo die Göttin Isis.

Für den zusammengesetzten Namen Neeffisis haben sich die Entdecker entschieden, weil bereits vor rund hudert Jahren ein Kleinplanet Leonisis benannt wurde, welcher ebenso eine Kombination aus einem Präsidenten des Physikalischen Vereins und der Göttin Isis ist. Entdeckt wurde dieser kleine Planet jedoch auf der Wiener Sternwarte im Jahre 1912 von Johann Palisa (1848-1925). Benannt wurde er vom damaligen Leiter des Frankfurter Planeteninstituts Martin Brendel (1862-1939) zu Ehren des amtierenden Präsidenten des Physikalischen Vereins Geheimrat Leo Gans (1843-1935).

Nachtrag

Die Taunus-Sternwarte des Physikalischen Vereins Frankfurt zählt inzwischen auf dem Gebiet der Suche nach Kleinplaneten zu den erfolgreichsten Observatorien Deutschlands.

bullet Artikel über die Entdeckung im Journal für Astronomie

bullet Artikel über „(728) Leonisis bis zum (224831) Neeffisis“  im Journal für Astronomie